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Achtsamkeit ist 1 m weiter rechts

    Mir wurde auf einer Zugfahrt um 6 Uhr morgens klar, was Achtsamkeit bedeutet. 46 Minuten um von Siegburg nach Frankfurt zu kommen. Schon am Abend zuvor habe ich mir Gedanken gemacht, was ich in der Zeit alles noch schnell abarbeiten könnte bevor es dann zum Kunden geht. Und während ich im Zug saß und meine Mails schrieb, fiel ein Sonnenstrahl auf mich. Ich blickte 1 m weiter nach rechts aus dem Fenster und sah einen wunderschönen Sonnenaufgang.

    Von da an habe ich den Laptop zugeklappt und mir die aufgehende Sonne und den bunten Himmel angeschaut.

    Die blauen, gelben, orangen und grünen Töne, das leichte rosa und die Strahlen der Sonne, die die ganze Welt in ihr Licht taucht. Ein Sonnenaufgang, den ich normalerweise verpasst hätte. So wie alle anderen um mich herum, deren Augen fest auf ihre Laptops und Handys fixiert waren.

    Aufgrund ständiger Erreichbarkeit sind wir es gewohnt, von überall aus effizient zu sein. Dabei achten wir oftmals gar nicht mehr auf das, was sonst um uns herum passiert. Auf den Moment und flüchtigen Augenblick. Auf die wahre Achtsamkeit im Alltag.

    Achtsamkeit bedeutet im Hier und Jetzt zu sein, ohne den Moment und unsere Gefühle zu bewerten2. Eine schöne Metapher, um Achtsamkeit zu verstehen, ist die des Zauberers. Ein Zauberer, der seinen Körper in verschiedene Teile schneidet und diese an unterschiedlichen Orten ablegt: Die Hände im Norden, den Kopf im Süden, die Füße im Westen und den Bauch im Osten. Dann, durch ein Wunder – die Achtsamkeit – kommen alle Teile wieder zusammen und er ist und fühlt sich wieder ganz. Genauso ist es meist bei uns: Wir sind nicht wirklich anwesend, sondern gedanklich fern ab in unseren Arbeitswelten unterwegs. Unser Kopf ist ganz woanders als unser Körper1.

    Wir müssen erst wieder lernen, mit unserer Aufmerksamkeit gegenwärtig zu sein. Das Schöne daran ist, dass wir theoretisch kein gezieltes Programm dafür brauchen. Stattdessen können wir Achtsamkeit in jedem Moment trainieren, indem wir auf die Reize um uns herum achten.

    Durch mehr Achtsamkeit wird auch unser Körper und Geist ruhiger. Ein Review über verschiedene Studien hinweg zeigte: Indem wir achtsamer sind, fühlen wir uns wohler, wir haben weniger psychische Symptome, sind emotional stabiler und können unser Verhalten besser steuern1.

    Und was habe ich in dem Moment erlebt, als ich mir den Sonnengang anschaute: Dass es mir gut tut, wahrzunehmen und zu beobachten, was um mich herum passiert. Wie mich die Sonne mit Licht erfüllt und ruhig macht. Und auch danach war ich viel entspannter, obwohl ich nicht die Mails geschrieben hatte, die ich mir eigentlich vorgenommen habe. Dafür war mein gesamter Tag entschleunigt und entspannter, voller Licht.

    Und dann habe ich mich gefragt: Wie viele dieser Sonnenaufgänge habe ich bisher verpasst? Und gar nicht mitbekommen, dass ich etwas verpasse, weil ich wie der Zauberer an so vielen Orten gleichzeitig bin?

    Quellen

    1 Keng, S.-L., Smoski, M. J., & Robins, C. J. (2011). Effects of mindfulness on psychological health: A review of empirical studies. Clinical Psychology Review, 31, 1041–1056.

    2 Schuman-Olivier, Z., Trombka, M., Lovas, D. A., Brewer, J. A., Vago, D. R., Gawande, R., Dunne, J. P., Lazar, S. W., Loucks, E. B., & Fulwiler, C. (2020). Mindfulness and behavior change. Harvard Review of Psychiatry, 28(6), 371–394.

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